Turnusgemäß finden im Frühjahr 2022 in allen Branchen Betriebsratswahlen statt – dieses mal unter den erschwerten Bedingungen der Pandemie. In vielen betrieben konnten seit zwei Jahren keine Betriebsversammlungen mehr stattfinden, in vielen Betrieben ist Kurzarbeit und viele Beschäftigte sind seit vielen Monaten getrennt von ihren Kolleginnen und Kollegen in Heimarbeit.
Bei einem Treffen der Arbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft, die sich in der Partei DIE LINKE organisiert, kamen Mitglieder aus mehreren Wolfsburger Betrieben zusammen.
Ratsherr Bastian Zimmermann erklärt im Namen der Arbeitsgemeinschaft: „Aus historischer Erfahrung sprechen wir uns für die Einheit der betrieblichen und gewerkschaftlichen Interessenvertretung aus. Es nutzt nur den Arbeitgebern, wenn Belegschaften in verschiedene Gruppen und Fraktionen gespalten werden. Diese Spaltung wurde selbst vom Gesetzgeber als überflüssig erkannt, als die rechtliche Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten durchgesetzt wurde.“
Beim dominierenden Unternehmen unserer Region, dem Wolfsburger Volkswagenwerk, treten neben der IG Metall diverse Listen zur Betriebsratswahl an. Einige derjenigen, die so versuchen in den Betriebsrat zu gelangen, tun dieses offensichtlich aus persönlichen Gründen. Sie nutzen die vermeintliche Schwäche des Betriebsrates nach dem Abgang von Bernd Osterloh. Das wird sichtbar in solchen Schlagzeilen wie „VW-Betriebsrat: Norbert Lem greift Chefin Daniela Cavallo an“ oder noch drastischer „Aufstand gegen Cavallo“. Gemeint ist die Betriebsratsvorsitzende, Kollegin Daniela Cavallo. Neben der scheinbar verletzten Männlichkeit leisten diese Helden der Arbeiterbewegung aber vor allem dem Management einen Liebesdienst, denn die Betriebsratsvorsitzende wird vor allem deshalb angegriffen, weil sie den angeblich so beliebten Vorstandsvorsitzenden Herbert Diess kritisiert. Der NDR berichtet: „So hat eine Gruppe um die Arbeitnehmervertreter Norbert Lem und Michael Maginski Betriebsratschefin Daniela Cavallo heftig angegriffen. In einem Brief, der unter anderem an die VW-Hauptaktionäre der Familien Porsche und Piëch sowie an Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) adressiert war und der dem NDR in Niedersachsen vorliegt, kritisieren sie die Betriebsratsspitze um die Vorsitzende Cavallo scharf. Man wolle die Großeigentümer >aus gegebenem Anlass< darauf aufmerksam machen, dass man den >rufschädigenden und Aktienkurs beeinflussenden Irrweg des aktuellen Betriebsrates nicht mehr mittragen< könne.“ Wahrscheinlich geht diese Gruppe als Randnotiz und „Liste Diess“ in die Geschichte von Volkswagen ein. Das wird auch an der Losung dieser Gruppe deutlich („Wir für Euch“), die in der völlig überalterten Form der Stellvertreterpolitik verharrt. Nur durch die Einbeziehung und Beteiligung der Kolleginnen und Kollegen in die Arbeit von gewerkschaftlichem Vertrauenskörper und Betriebsrat können die bevorstehenden Herausforderungen gelöst werden.
Sehr seltsam mutet es auch an, wenn der ehemalige Bevollmächtigte der IG Metall und ein SPD-Ratsherr in Konkurrenz zur IG Metall antreten. Die SPD müsste hier ihr Verhältnis zur Einheitsgewerkschaft im Allgemeinen und ihr Verhältnis zur IG Metall im Besonderen erklären.
Vor dem Betriebsrat und der IG Metall in Wolfsburg stehen große Herausforderungen in der sozialen Bewältigung der dringend nötigen ökologischen Transformation. Das Management von Volkswagen zielt mehr als bisher darauf, die Gewerkschaft und die Position des Betriebsrates zu schwächen, um die Profitbedingungen für die Großaktionäre zu verbessern. Der Vorstand von Volkswagen schreckt nicht einmal davor zurück, die Wiederinbetriebnahme von Atomkraftwerken zu fordern, um das überalterte Geschäftsmodell fortzusetzen. Die Versuche der Destabilisierung des Betriebsrates durch das Management sind unübersehbar – dazu gehört der inszenierte Auftritt von Herbert Diess in einer Wolfsburger Arbeiterkneipe ebenso wie der wiederholte Versuch, die Belegschaft vorbei am Betriebsrat in die Vorstandsstrategie einzubinden. In dieser schwierigen Situation gehört unsere Solidarität und Unterstützung der IG Metall. Eine Spaltung der Belegschaft und des Betriebsrates würde die Interessenvertretung der Beschäftigten in dieser großen Autofabrik eindeutig schwächen.