Am vergangenen Samstag sind 47 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Bundesrepublik Deutschland eingetroffen, die zuletzt in Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln gelebt haben. Insgesamt sollen in Staaten der Europäischen Union nur 1.600 unbegleitete geflüchtete Kinder aufgenommen werden. Was ist mit all jenen Menschen, die in den Lagern zurückbleiben müssen?
Es fehlt ihnen an allem: An Trinkwasser, Nahrung, sanitären Anlagen, Hygienevorkehrungen und an medizinischer Versorgung. Die 47 Kinder und Jugendlichen, welche Deutschland aufgenommen hat, entsprechen circa 0,1 Prozent, der 40.000 in den Lagern untergebrachten Menschen. Es sind nicht einmal drei Flüchtlinge je Bundesland!
Das sind lächerlich geringe Zahlen. Das Engagement reicht weder weit genug, um zur Entspannung der Situation auf Lesbos und in den anderen Flüchtlingslagern beizutragen, noch zum Schutz derjenigen unbegleiteten Minderjährigen, die weiterhin in diesen Lagern ums nackte Überleb kämpfen müssen.
Ein Kapitel der deutschen und europäischen Geschichte wird aufgeschlagen, bei dem es sich um ein Armutszeugnis handelt, doch politische Entscheidungsträger/innen stellen es als Erfolg dar. Einzelne Bundesländer bekunden die Bereitschaft, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, als es die Bundesrepublik getan hat. Uns beschleicht das Gefühl, dass einigen Politiker/innen die Coronakrise gerade recht kommt, um sich mit der Flüchtlingsthematik nicht beschäftigen zu müssen.
Doch es darf nicht vergessen werden, dass wir EuropäerInnen sowohl mit Blick auf die Corona-Krise als auch auf die Flüchtlingslager von einem gemeinsamen Ziel geeint werden:
Menschenleben zu retten.
Eine große europäische Solidaritätsanstrengung ist bislang nicht zu erkennen. Es darf nicht sein, dass jeder Staat versucht, allein seine Bürgerinnen und Bürger zu retten. In einer europäischen Wertegemeinschaft muss es der Anspruch sein, einander zu helfen.
Lesbos ist ein Teil von Europa wie jeder andere Ort auf diesem Kontinent. Auf der Insel sind aktuell zahlreiche Menschen schutzlos und benötigen dringend Hilfe. Sollte das Coronavirus im Flüchtlingslager Moria ausbrechen, wird es sich bald in ein Massengrab verwandeln.
Daher ist es uns in diesen Tagen ein besonders wichtiges Anliegen, das Flüchtlingslager aufzulösen, die Menschen auf die Mitgliedsstaaten der EU zu verteilen und ihnen Schutz zu gewähren: Schutz vor Krieg, Schutz vor Corona. Doch eine baldige Auflösung des Lagers und eine sichere Unterbringung der Flüchtlinge zeichnet sich noch nicht ab.
Auf jede Person im Lager Moria kommen umgerechnet mehr als 22.000 europäische Bürgerinnen und Bürger. Für einen so starken und vermögenden Kontinent wie Europa sollte und dürfte es gar kein Problem sein, diese Herausforderung anzugehen und zu lösen. Wir fordern, dass die Europäische Union als Friedensnobelpreisträgerin sofort handelt und die Flüchtlinge auf Lesbos, Chios und Samos aus den unmenschlichen Umständen befreit und ihnen Sicherheit bietet:
Es ist nicht nur ihre Aufgabe, es ist ihre Pflicht.